Politik und Wirtschaft

Ausgerechnet Draghi

Italien, so sehr wir es lieben, ist ein wahrlich forderndes Land und in sich gespalten: in einen industrialisierten Norden und den Mezzogiorno, den eine der einflussreichsten Parteien des Landes, die Lega Nord, gerne loswerden will. Seine Politiker, die, wie es scheint und zu[allererst,  gerne bella figura machen, sind sich nur darin einig, für alle Probleme, die sie seit Jahren ihren Bürgern aufbürden, äußere Umstände, die EU und namentlich Deutschland verantwortlich zu machen ( - das höchstens geschätzt wird, aber nie geliebt, während es in Deutschland gerade andersherum ist).

Nun schickt sich Mario Draghi, einer der „Vertreter des Establishments“, wie ihn die oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnet, an, den Regierungsthron zu erobern. Ex-Bunga-Bunga-MP Sylvio Berlusconi, Meister der Versprechungen, der zahlreiche Strafprozesse letztlich unbeschadet überstand - wahrlich kein Ruhmesblatt für die italienische Justiz  - wirkt an dieser Ranküne mit und hilft dem Karrieristen Draghi. Der ist uns bekannt durch seinen Kampfruf – um Theatralik nicht verlegen, als würde er mit seinem  eigenen Portemonnaie für seine Versprechungen gerade stehen ! – „ Whatever it takes!“ „Was immer es kostet“ lief auf Schuldenmachen hinaus, zu Lasten der Masse (der Sparer) und zu Gunsten der Bankeliten.

Mario Draghi wird den Keynesianern zugeordnet, als wolle man ihn dadurch rühmen. Nun, alle, die  die als deficit spending verbrämte Begünstigungspolitik favorisieren, loben Keynes, den vielleicht einflussreichsten Nationalökonomen des zwanzigsten Jahrhunderts, der sich vermutlich im Grab umdrehen würde, sähe er die, die ihn missverstehen, die die Politik des Geldausgebens mit Wachstumspolitik verwechseln.

Draghi, dem Bildungsbürgertum entstammend und promoviert an der renommierten MIT, wurde 1991 mit 43 Jahren Generaldirektor des Schatzamtes unter Guido Carli, der von Giulio Andreotti zum Schatzminister berufen worden war,  und er zeigte, dass er Italiens langfristige Ziele mit Härte durchzusetzen verstand, das heißt, sich zu Lasten der EU zu bedienen; wie er auch als EZB-Präsident die italienischen Nationalisten zu beeindrucken verstand, als er mit dem Kaufprogramm für Staatsschulden sogar den Widerstand der Deutschen Bundesbank brechen konnte. „Selbst kritische italienische Ökonomen sprachen lange von ’Sankt Mario Draghi‘, weil er mit seiner Politik in Frankfurt Italien vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahrt [hatte]“, heißt es in einem Artikel der FAZ vom 4. Februar 2021.

Italien, obwohl es seit dem Zweiten Weltkrieg Dutzende von Regierungen, die häufig von Neo-Faschisten und Kommunisten gestützt wurden,  überstehen musste, ist (noch) kein failed state, doch wäre es längst gescheitert, würde es markt-adäquate Zinsen auf seine überbordenden Staatsschulden  zahlen müssen. Dass diese so niedrig sind, ist auch auf die Billig-Geld-Politik zurückzuführen, die Draghi in seiner Zeit als EZB-Präsident durchdrückte – freilich im Verein mit seinen Kollegen in London, New York und Tokio. Und die so niedrig sind, weil die Gläubiger der EU wissen, dass Deutschland mit im Boot sitzt. Sie entlasteten und entlasten den italienischen Staatshaushalt mit zweistelligen Milliarden-Beträgen, die gut für eine marktwirtschaftliche Strukturpolitik gebraucht werden könnten.

Italiens einstmals dominierende Partei, die Democratia Christiana, musste wegen mafiöser Strukturen aufgelöst werden und fand sich in einigen Splitterparteien wieder. Einer ihrer schillerndsten Figuren war Giulio Andreotti, selbst siebenmal Ministerpräsident, dessen Verstrickungen besonders augenfällig waren, aber voll nie bewiesen werden konnten. (Vor ein paar Jahren wurde er folgerichtig zum Senator auf Lebenszeit ernannt). Andreotti, Carli und Draghi:  Eine Familie. Und eine Sprache. Andreottis Deutschland-Antipathie spiegelte sich in seinem heuchlerischen Seufzer „Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich zwei davon haben möchte“ nur unvollkommen wider.

Italien betreibt eine mittelalterliche Klientel-, eine Begünstigungs-Politik. (Machiavelli lässt grüßen). Sein scheinbar unlösbarer Konflikt zwischen dem industriellen Norden und dem darbenden Mezzogiorno löst bei den Begüterten Steuer- und Kapitalflucht aus – mit entsprechenden Wirkungen auf Zahlungsbilanz und den Target-Saldo (inzwischen wieder über eine Billion Euro), für den im Falle des Zusammenbrechens des Euros  die reichen Euro-Länder im Norden gerade stehen müssten.

Ausgerechnet Draghi wird also Ministerpräsident Italiens.

Das ist ebenso unverständlich, wie es unverständlich war, dass Barack Obama einen Timothy Geithner zu seinem Finanzminister machte, der davor Präsident der FR-Bank New York und als solcher mitverantwortlich war für die Globale Finanzkrise, die die Welt 50 Billionen Dollar kostete.

Jetzt also Mario Draghi als Salvator Italiae ? Er wird Italien in seiner neuen Rolle und auf seine rigorose Art weiter Vorteile verschaffen.

Dr. Axel Glöggler

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