Politik und Wirtschaft

China gewinnt den Systemvergleich

Unter diesem Titel war dieser Tage in einer führenden deutschen Tageszeitung ein Thesenpapier von zwei Soziologen zu lesen, das mich zu einigen weiteren Überlegungen veranlasste.

Ob die Katze weiß oder schwarz ist, das ist egal. Hauptsache sie fängt Mäuse! Das ist mehr als eine Parole, es ist ein Paradigma, mit der Deng Xiaoping (1904 bis 1997) einen Schlafenden Riesen aus der Erstarrung löste. Nach wenigen Jahrzehnten ist Rot-China dem Alerten Riesen dicht auf den Fersen: Das BIP ist bald auf demselben Niveau, die Währungsreserven sind die höchsten der Welt, die Vereinigten Staaten sind nirgendwo so stark in der Kreide wie bei den Rotchinesen. China (oder Deutschland ?) ist Exportweltmeister, und diese Erfolge sind keineswegs nur darauf zurückzuführen, dass seine Währung – wie das lange Jahre besonders von den USA behauptet wird – (stark) unterbewertet ist. Zwischen 2003 und 2020 wurde der Yuan, dessen Vorderseite nach wie vor das  Porträt Maos ziert, um etwa zwanzig Prozent aufgewertet.

Wenn das 18 Jahrhundert als das der Franzosen, das 19. als das des Vereinigten Königreiches und das 20. als das der Vereinigten Staaten gilt, so ist es keineswegs eine gewagte Prognose, das 21. Jahrhundert als ein chinesisches zu bezeichnen.

Die Erfolge der Diktatur sind phänomenal. Das zeigt sich auch derzeit – bei der Bewältigung der globalen Krise, der Corona-Pandemie. In den USA sind bald mehr als eine halbe Million Coronatote zu beklagen. Die Gesundheitssysteme in den meisten anderen westlichen Ländern stoßen an ihre Grenzen. Und China? Bei einer Bevölkerungszahl an die 1,4 Mrd. 5 000 Tote (wenn man den Angaben trauen kann).

China verfügte bei der Bekämpfung dieser teuflischen Bedrohung offenbar über die richtige Taktik: kurzzeitiger, erbarmungsloser Lockdown.

Aber der Riese gebietet, wie sich zeigt, auch über eine überzeugende Strategie, wenn es um die Durchsetzung seiner Ansprüche auf globale Suprematie geht. Sie trägt den verheißungsvollen Namen Seidenstraße. Mit ihr  werden schwache Staaten, nicht selten failed states, in die Schuldenfalle gelockt, ausbaldowert und zu Vasallen gemacht.

Der Aufstieg Chinas

  • die Anzahl der Menschen, die jenseits der Armutsgrenze leben
  • die Verbesserung ihrer Konsummöglichkeiten, des Bildungs- und Gesundheitswesens, der (Verkehrs-)Infrastruktur
  • die Wissenschaftsentwicklung
  • die innere und äußere Sicherheit

hat eindrucksvoll gezeigt, dass Erfolge dieser Art, die bei den Bürgern ganz oben stehen, auch in einem diktatorischen System möglich sind.

Wie zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als sich der kapitalistische Westen einem monolithischen Block hinter dem Eisernen Vorhang gegenübersah, in dem es aber doch einige Abweichler gab (ich denke speziell an Jugoslawien), drängt sich die Systemfrage auf. Denn Gesellschaftssysteme sind kein Selbstzweck. Auch hier gilt: Das Bessere ist der Feind des Guten. Seinerzeit implodierte das fragile Gebäude des Ostens, nicht zum geringsten ausgelöst durch die Militärstrategie der USA (Star Wars), initiiert durch ihren fähigen Präsidenten Ronald Reagan, der der Osten wirtschaftlich und militärisch nicht mehr paroli bieten konnte.

Hat der Westen diesmal die besseren Waffen, die Offene Gesellschaft, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit heißen? – Zweifel sind angebracht. Auf die Herausforderung Rot-Chinas weiß der Westen nicht mehr unisono und durch eine klare Sprache zu antworten. Der geschätzte Pluralismus führt zu Heterogenität, vielleicht zu Zerfall. Die Führungsmacht des Westens hat – nicht erst durch den geschmähten letzten Präsidenten – an Strahlkraft verloren. Sie spaltet mehr, als dass sie integriert. Auch, weil sie im Ringen, sich zu behaupten, ihre Möglichkeiten überdehnte. Pax Romana kondensierte, und bald wird es mit Pax Americana ebenso geschehen. Ein Vakuum tut sich auf. In dieses stößt der Drache mit feuriger Zunge, schafft sich Freunde unter denen, die des Westen Feinde sind, wie dem Iran.

Steht Der Untergang des Abendlandes (Oswald Spengler) bevor, jener wundervollen Region, die der Welt eine neue sittliche Ordnung, eine sittliche Verpflichtung, eine Religion geschenkt hat, die Aufklärung heißt? – Die ist in China (wie in vielen anderen Pluto- und Theokratien speziell des Nahen und Mittleren Osten) noch nicht angekommen. Die praktizierte, erfolgreiche Symbiose zwischen Kapitalismus und Diktatur - im Hintergrund der Glanz des Konfuzianismus, unvergessen – hat den Wohlstand der Massen geboren und rückt die Gefahr innerer Unruhen in weite Ferne. Sättigung und daraus wachsender Übermut ebenso. Verzagtheit war nie ein chinesischer Wesenszug. Inzwischen wächst in der breiten Masse Selbstbewusstsein, fußend auf Erfolgen auf nahezu allen Feldern. Und diese lässt Demokratiebestrebungen (Hongkong) oder Unterdrückung (Uiguren) als hinnehmbares Übel erscheinen.

Das 21. Jahrhundert: das Jahr Chinas!

Möchte ich ein falscher Prophet sein!

Dr. Axel Glöggler

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