Gesellschaft

„Eiterbeulen“

Ich weiß nicht, ist ein solches Wort im politischen Sprachgebrauch nicht seit dem 8. Mai 1945 verschwunden – oder sollte es nicht so sein?

Na, jedenfalls finde ich dieses Unwort im Verdikt des CDU-Abgeordneten Michael Brand über seine Kollegen Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU). Der Druck, der auf sie, denen Bereicherung und Käuflichkeit vorgeworfen wird, derzeit von der Fraktions-und Parteispitze ausgeübt wird, den finde er „völlig richtig“. Er führe dazu, dass diese „Eiterbeulen jetzt aufgeschnitten werde“. Das sei hässlich, aber die „Grundreinigung“ werde guttun.

Ein „Ordnungsruf“ des Herrn Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble war bislang nicht zu vernehmen.[1] Stattdessen Einschätzungen, die an Vorverurteilung heranreichen: Wenn in der Pandemie „einzelne Abgeordnete die Notlage ausgenutzt haben, um sich persönlich zu bereichern, ist das schlicht unanständig und mit dem Mandat nicht vereinbar,“ so Wolfgang Schäuble, auf dessen Rolle in der Parteispendenaffäre 1999/2000 als ehemaliger Parteichef der CDU der Deutschlandfunk am heutigen Tage zurückkommt:

„Am 16. Februar 2000 gab Wolfgang Schäuble auf der Bundespressekonferenz seinen Rücktritt bekannt. Er reagierte damit auf Enthüllungen über schwarze Kassen für nicht gemeldete Parteispenden in der CDU. Die Herkunft der Spendengelder in Millionenhöhe ist bisher ungeklärt.“

Und weiter:

„Zur Debatte stand (seinerzeit) auch Schäubles Glaubwürdigkeit. Er gab Kontakte zu Karlheinz Schreiber (dem Waffen-Lobbyisten) zu – und auch den Empfang einer nicht verbuchten Parteispende von 100 000 DM, die er dem Parlament zunächst verschwiegen hatte. Ob Schäuble das Geld 1994 in seinem Bonner Büro direkt von Schreiber erhielt, wie der Politiker selbst behauptete, oder ob es der Rüstungslobbyist zunächst der CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister übergeben hatte, das konnten später weder Staatsanwälte noch der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Spendenaffäre klären.“

Apropos Staatsanwälte.

Verdienste bei der Aufklärung der Spendenaffäre erwarb sich seinerzeit Ober-Staatsanwalt Jörg Hilliger von der Staatanwaltschaft Augsburg, der gegen den Widerstand von Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer  (Generalstaatsanwaltschaft München) die Ermittlungen vorantrieb.

Im April 1999 kam Hilliger bei einem spektakulären Autounfall ums Leben. Über mögliche Manipulationen am Unfallwagen wurde gemunkelt. Es wurde sogar spekuliert, dass Hilliger ermordet worden sei (Geschwärzte Aktennotizen wurden bei ihm gefunden; geschwärzt von wem?).

Von einer wirklichen juristischen Aufarbeitung der Affäre kann also keine Rede sein.

Wie auch der Verbleib der 100 000 DM nach wie vor im Dunkeln ist.

Der Mantel des Vergessens . . .

Den will die CDU-Fraktionsspitze in der „Masken-Affäre“ nicht ausgebreitet sehen. Sie fordert ultimativ von allen Mitgliedern bis heute, 12. 3. 2021, 18:00 Uhr, eine „Ehrenerklärung“.

Man kann dies auch Forderung nach einer Selbstanzeige nennen, „Selbstbeschuldigungs-Nötigung“.

Was ist, wenn sie nicht gegeben wird? Folgt der Parteiausschluss?

Wie weit sind wir noch entfernt von den Vorgängen im stalinistischen Russland, in dem Selbstbeschuldigungen – auch wider besseres Wissen – an der Tagesordnung waren? Wie weit darf Parteidisziplin, das heißt Parteidisziplinierung  gehen?

Die Fraktionsspitze „maßt sich an, Wächter über Abgeordnete zu sein“, heißt es in der FAZ. Das aber ist sie nicht und darf sie nicht sein. Abgeordnete „seien „nur ihrem Gewissen verantwortlich – und dem Wähler“. Richtig!

Drei Abgeordnete, drei Sündenböcke werden in die Wüste getrieben. Rein will die Partei sein.

Kann dieses Bedürfnis damit zusammenhängen, dass in zwei Bundesländern am kommenden Sonntag, dem 14. 3., Landtagswahlen sind?

Honi soit qui mal y pense. Ein Schuft ist, der Böses dabei denkt!

Dr. Axel Glöggler

 

[1] Auch habe ich noch keine Verteidigungsrede der Abgeordneten gelesen.

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