Politik

Religion und Wirtschaft. Folge Drei

"Innerweltliche Askese" (Max Weber)

Für Max Weber (1864 – 1920) ist der moderne Berufsmensch ein Produkt des protestantischen Glaubens, in welchem die Arbeit als Gottesdienst gilt. Der Alltag des calvinistischen Unternehmers, registriert Weber, war vollständig religiösen Geboten untergeordnet. „Er bestand aus permanenter Selbstüberwachung, Selbstdisziplin, Verzicht und Regeln, die helfen sollten, fromme Gebote einzuhalten. Er war wie das Leben eines mittelalterlichen Mönches im Kloster“, wie er sagt. Dazu gehörten auch feste Arbeitszeiten und Pünktlichkeit. Diese Tugenden zahlten sich am Ende aus. Weber fand dafür den Begriff der „innerweltlichen Askese“. Und der Ausspruch von Benjamin Franklin, Erfinder-Unternehmer und Diplomat: „Time is Money“ entspringt diesem Geist.

Mit dem Entstehen des Protestantismus calvinistischer Prägung hatte sich ein neues Berufsethos etabliert. Luther verstand den Begriff traditionalistisch: Der Mensch wird in eine Position gestellt und habe Gott gewollt dort zu verharren. Man könne in jedem Stande selig werden. Es sei auf der kurzen Pilgerfahrt des Lebens sinnlos, auf die Art des Berufes Gewicht zu legen. Das Streben nach materiellem Gewinn, der den eigenen Bedarf übersteigt, müsse als Symptom mangelnden Gnadenstandes und, da er ja nur auf Kosten anderer möglich sei, direkt als verwerflich gelten.

Bei Luther folgt die Erlösung allein dem Glauben, sola fide, wie er sagt. Calvin setzt dem die rastlose Tätigkeit, die asketische Lebensführung, die Vermeidung des Zurschaustellens des Reichtums gegenüber, aber auch die Überzeugung, dass wirtschaftlicher Erfolg gottgefällig sei.

Was den puritanischen Unternehmer von dem Unternehmer der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit unterscheidet, ist vor allen Dingen auch die Forderung nach völliger Übereinstimmung zwischen Innen- und Außenmoral, wie Max Weber hervorhebt.

Bei den portugiesischen und spanischen Eroberern war der Verhandlungspartner auf der anderen Seite, also der Stammesfürst, in keiner Weise gleichberechtigt, vielmehr Objekt der Übervorteilung, ja Ausbeutung. Die Moral, so das puritanische Postulat, die ein Unternehmer Dritten gegenüber praktiziert, müsse die gleiche sein, die er nach Innen, also gegenüber seiner Familie, gegenüber seinem Clan an den Tag legt.

Hinzu kommt: im puritanischen Kapitalismus weht Wettbewerbsgeist. Die Abkehr von den Monopolpraktiken des Handelspatriziats (der Hanse etwa) wird gefordert, und so wird auch gehandelt, was denn auch hieß, dass dieser Geist – wo er denn wirkte, also in der Schweiz, in Holland, in der Neuen Welt und in England und in Teilen Deutschlands – die wirtschaftliche Entwicklung enorm förderte.

Das wird besonders deutlich, wenn man dem praktizierten puritanischen den

praktizierten katholischen Wirtschaftsgeist

gegenüberstellt. Die Lebensweise traditionalistischer, also katholischer Unternehmer war durch Beschaulichkeit, viel Müßiggang und Bescheidung mit einem geringen Gewinn geprägt. Sie passte sich in die von der Obrigkeit konservierte Wirtschaftsverfassung ein, die durch Zünfte, Gilden, staatlich privilegierte Unternehmen bzw. Staatsmonopole bestimmt war.

Symptomatisch für diesen Geist des Beharrens ist ein Gutachten, das dem spanischen König Mitte des 17. Jahrhunderts vorgelegt wurde, in dem es um die Schiffbarmachung des Tajo und des Manzanares ging. „Wenn Gott es gewollt hätte, dass beide Flüsse schiffbar wären, dann hätte Er es mit einem kurzen ‚Es werde‘ zur Tatsache gemacht“, beschied der König.

Katholischem Fatalismus stand calvinistische Gefallsucht gegenüber und lutherischer Kameralismus. Denn wo das Luthertum herrschte, speziell in Preußen (dessen Herrscherhaus allerdings calvinistisch-pietistisch ausgerichtet war), waren die Banken, Versicherungen, Bergwerke, Kolonialgesellschaften, Manufakturen staatlich – und unter entsprechender Herrschaft der staatlichen Kammern, in denen ein Geist wehte, der sich noch lange hielt.

Robinson als Katholik wäre nach wenigen Wochen gestorben. Als Lutheraner hätte er vermutlich noch einige Zeit weitergelebt und auf Direktiven der Administration seines Mutterlandes gewartet. Als Puritaner aber überlebte er. – Soll man sagen, er überlebte, weil puritanischer Geist in ihm loderte, oder weil ihn die Not erfinderisch machte?

Max Weber, der Soziologe, sieht klar, dass der puritanische Geist nur eine Quelle des Kapitalismus ist, dass andere geistige und geschichtliche Bewegungen diesen Humus ebenfalls anreicherten. Aus seinen Erkenntnissen sei weder eine Theorie, noch ein Programm abzuleiten. Es wäre ja auch höchst fatal, wenn man Entwicklungspolitik mit Hilfe der Religionspolitik betreiben müsste. Es könne nicht gesagt werden, dass der Kapitalismus als Wirtschaftssystem ein Erzeugnis der Reformation sei. Schon dass wichtige Formen kapitalistischen Geschäftsbetriebs erheblich älter seien als die Reformation stünden solchen Ansichten im Wege. Max Weber hat in beeindruckender Weise eine historische Parallelität aufgezeichnet zwischen puritanischer Aufgabenbezogenheit und der Entfaltung des wirtschaftlichen Erfolges.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Axel Glöggler

https://twitter.com/DrAxelGloeggler

 

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