Politik

Religion und Wirtschaft. Folge Eins

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Religion und wirtschaftlicher Entwicklung?

„Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Religion und wirtschaftlicher Entwicklung? Diese Frage treibt die Wirtschaft schon lange um. Mehr als hundert Jahre ist es nun her, dass Max Weber seinen berühmten Aufsatz Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus veröffentlichte. Erstaunlicherweise hat diese Frage bis heute nichts von ihrem Reiz verloren. Welche Rolle spielen religiöse Überzeugungen für den Erfolg von Menschen? Lässt sich zum Beispiel sagen, dass Protestanten wirtschaftlich erfolgreicher waren als Katholiken?“[1]

Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu diesen Fragen machen und mit einer weiteren Frage beginnen:

 

Folge Eins

 

War Robinson ein Unternehmer?

Was haben der Apostel Paulus, der Phönizier Augustus, der Franzose Calvin, der schottische Presbyterianer und der deutsche Soziologe Max Weber gemein? – Eine 100 000- Euro-Preisfrage bei Günther Jauch?

Der Leser bekommt die Antwort ohne weiteres Nachgrübeln: Es ist die Prädestinationslehre. Diese wird personifiziert durch eine einzigartige Figur der Weltliteratur, durch Robinson Crusoe, dem Helden des 1719 erschienenen, höchst erfolgreichen Werkes von Daniel Defoe (1660-1731).

Der Roman war ein Bestseller. Er traf den Nerv der Zeit. Denn ein sensationslüsternes Publikum las gerne, im Lehnstuhl zurückgelehnt, über Freibeuter, über Piraten mit Regierungslizenz, die im Auftrag Britanniens seinerzeit die Weltmeere vereinnahmten. Und sie verschlangen den Lesestoff, wenn er auf Fakten beruhte und darüber hinaus noch moralisch Nützliches bot.

All das war bei Defoes Buch der Fall, der schon 59 Jahre alt war, als er es schrieb. Er ließ sich inspirieren von einem Abenteuer, das Alexander Selkirk durchlitten hatte und das schon mehrfach beschrieben worden war. So auch von dem Kapitän des Schiffes, der den ausgesetzten Selkirk auf jener Insel wieder antraf, auf der er vier Jahre vorher ausgesetzt worden war. W. Rogers hieß dieser Autor, der Selkirks Kampf ums Überleben auf der Insel beschrieb. Am Schluss seines Berichtes hielt er bereits das Motto für Robinson Crusoe/Daniel Defoe bereit: „Necessity ist the mother of invention“ – Not macht erfinderisch.

Defoe greift Selkirks Geschichte 1719 erneut auf, schmückt sie mit zahlreichen Details aus, dramatisiert sie und verknüpft sie mit seiner eigenen. Selkirk, Robinson und Defoe machen alles falsch, was man als Bürger falsch machen kann. Defoe, aus einem puritanischen Elternhaus stammend, zum Prediger bestimmt, rebelliert gegen den König – und verliert. Robinson, Defoes Schöpfung, ist ein Handel treibender Abenteurer, der auch aus dem Sklavenhandel Erfolge zieht. Zweimal scheitert er in seinem Geschäft – ebenso wie Defoe, der sich nach politischen Abenteuern dem Unternehmertum zugewandt hatte und dort ebenfalls zweimal Bankrott machte. Trotz des kommerziellen Erfolges seines Buches wurde er bis zu seinem Lebensende seine Schulden und damit seine Gläubiger nicht los.

Das „Zwiegespann“   Robinson/Defoe versagte also als Unternehmer auf der ganzen Linie. Die Ursache für das Dilemma ist klar. Es hatte sich von dem ihm Vorbestimmten entfernt. Robinson/Selkirk begaben sich auf See, die geografische Bezeichnung für Maßlosigkeit, der auch Defoe verfiel, als er die Empfehlungen seines Vaters in den Wind schlug, ein bürgerliches Leben zu führen. Er stach im Politischen, dann im Unternehmerischen in See. So erlitt er Schiffbruch, strandete. Aus diesem Grunde musste er sich als knapp 60-jähriger, der mit einiger Bitternis auf seine missratene Karriere zurückblickte, einen Helden schaffen, der seinem eigenen Lebenslauf entsprach.

 

 

 

     

 

 

 

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[1] Felix Kersting und Nikolaus Wolf, Wirtschaftsfaktor Religion, in: FAZ vom 12. 4. 2021, S. 16

Dr. Axel Glöggler

https://twitter.com/DrAxelGloeggler

 

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