Politik

Religion und Wirtschaft. Folge Zwei

Paulus' Römerbrief und Calvins Ergänzung

Defoe setzt sich in seiner Romanbiografie mit einer herrschenden Strömung seiner Zeit auseinander, der Prädestinationslehre, die im Römerbrief von Paulus ihren Ursprung hat, weite Teile des Werkes des Augustinus bestimmt und mit der sich die Protestanten Luther und Calvin herumschlugen.

Paulus schrieb im Winter 55/56in Korinth einen Brief an die Römer, der eine Art Vermächtnis des Apostels und die Summe seiner Theologie ist. Es komme, so heißt es darin, „nicht auf den Willen und die Anstrengung des Menschen an, sondern nur auf Gottes Erbarmen … Gott verfährt ganz nach seinem freien Willen. Dem einen schenkt er seine Gnade, und den anderen macht er so starrsinnig, dass er sich gegen ihn verschließt.“

Augustinus machte diese Aussage zu einem Hauptbestandteil seines Werkes. Er hatte ein von vielen Versuchungen, Anfeindungen und inneren Kämpfen bewegtes Leben schon hinter sich, als er 397, elf Jahre nach seiner Bekehrung, seine Autobiografie niederschrieb, die er Bekenntnisse nannte. Seine Läuterung empfand er als einen Gnadenakt Gottes, der ihn bestimmte, künftig sein Leben dem Dienste Gottes zu weihen und asketisch zu leben.

Saulus wandelte sich zu Paulus, Augustinus hatte sein Erweckungserlebnis, und auch das erzwungene Inseldasein von Robinson ist ein solches. Und wenn es eine Parallele der drei wichtigsten Protestanten (Luther, Zwingli und Calvin) gibt, dann ist es ebenfalls ein solch schicksalhafter Moment, ein „göttlicher Funke“, der sie ihr Leben ändern ließ. Luther, Student der Jurisprudenz, erkannte auf dem Weg von Eisfeld nach Erfurt im Juli 1505, dass er sein Leben Gott weihen müsse. Ein heftiges Gewitter hatte ihn niedergeworfen und ließ ihn den Ausspruch tun:“ Gott, ich will ein Mönch werden.“

Zwingli wurde 1519/1520 von der Pest niedergeworfen, und das bestimmte ihn zu einem religiösen Leben. Calvins (1509-1564) Bekehrung ist wohl seinem intensiven Studium der Heiligen Schrift – in der Verdeutlichung Luthers -  zuzuschreiben, was ihn bewog, sich der Sache des Protestantismus zuzuwenden. Sein öffentliches Bekenntnis hierzu zwang ihn, dem sein Vater bereits zu Beginn seiner Studien eine kirchliche Pfründe erworben hatte, Frankreich zu verlassen, um dann, nach mehreren Stationen, auch in Deutschland, seine Lehre in Genf voll zu entfalten.

Die theologische Position von Paulus und Augustinus ist die Prädestinationslehre, die Lehre vom Vorbestimmtsein menschlichen Tuns. Calvin fügt ihr nun einen neuen, wesentlichen Aspekt hinzu, der seine Theologie bestimmte: Zwar habe es Gott in seiner unantastbaren Freiheit gefallen, die einen zur Seligkeit und die anderen zur Verdammnis zu bestimmen. Aber dies müsse den Menschen nicht in die Passivität treiben. Gottes Ratschluss gestatte, dass manch einer zur ratlosen Tätigkeit angespornt wird, und wenn daraus Erfolg wird, könne man schließen, dass man auserwählt sei. Diese doppelte Prädestination ist also der Kern des Protestantismus calvinistischer Prägung. Sie wird Fundament einer neuen Wirtschaftsideologie.

Reichtum war nach Calvin keine Schande mehr, im Gegenteil, es war ein Zeichen des Auserwähltseins. Man müsse kein schlechtes Gewissen haben, Gewinne zu machen. Darin stand er ganz im Gegensatz zum katholischen Glauben, in dem persönliche Bereicherung als Sünde galt.

Calvin kannte auch nicht des Bauernsohns Luther Abneigung gegen Erwerb aus kaufmännischer Tätigkeit. Allerdings stand des calvinistischen Geschäftsmannes Wirken unter einem strengen ethischen Diktat: dass er seinen Erfolg mit legalen Mitteln erreiche, dass er seinen Reichtum nicht verprasse, sondern dass er ihn entweder spare oder vernünftig investiere, um zu seinem oder zum Ruhme Gottes noch reicher zu werden. Es war nicht sündhaft, reich zu sein, es war nur sündhaft, das zu genießen.

 

 

 

 

 

 

Dr. Axel Glöggler

https://twitter.com/DrAxelGloeggler

 

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